Recruiting geht überall. Mitarbeitergewinnung im Biergarten.

Kennen Sie das? Da hat man einmal einen Nachmittag frei, unternimmt etwas Nettes und ehe man sich versieht, holt einen der Recruiting-Job wieder ein. So wie es mir passiert ist, als ich mit Freunden einen Radausflug in den Biergarten auf der Insel Grafenwerth bei Bad Honnef mache. Während alles um mich herum fröhlich schwatzt, dringen Gesprächsfetzen vom Nachbartisch zu mir. Es sind nur ein paar Begriffe, die ich am Rande aufschnappe. Aber die machen, dass ich einfach nicht mehr weghören kann.

Mitarbeitergewinnung im Biergarten

Zwei junge Männer, offenbar Freunde, unterhalten sich über ihre Arbeit. Freund A ist begeistert von seinem Job, spricht von Kollegen, von langen Arbeitstagen und enorm viel Arbeit, bei der er „richtig was bewegen kann“, dass der Chef ihn gelobt hat und der Kunde zufrieden ist. Er wirkt lebhaft beim Erzählen, redet mit den Händen und mit leuchtenden Augen, er ist Überzeugung pur (authentisch nennt man das auch, aber eher außerhalb des Biergartens).  Freund B lauscht, stützt mit hängenden Schultern die Unterarme auf den Tisch, guckt erkennbar unfröhlich, meistens nach unten und klagt – über Kollegen, Chefs, Arbeitsinhalte. Nichts ist richtig gut. Ob es beim Arbeitgeber von Kumpel A wohl einen Job für ihn gibt?

Ein komplett analoges Gespräch. Will sagen: kein Handy, kein Tablet, kein Internet. Hier wirkt nur gesprochene Wort, Mimik, Gestik, Emotionen. Aber wie! Es lagen auch keine ausgedruckten Stellenanzeigen auf dem Biertisch. Und doch ist hier Wechselbereitschaft geweckt worden. Gekostet hat das bestenfalls mal ein Getränk.

Mitarbeiterstimme wirkt

Wenig Aufwand, große Wirkung. Genau genommen ist diese kleine Szene das Ergebnis eines langen Prozesses. Da hat ein Unternehmen alles richtiggemacht: Freund A ist ganz offensichtlich der richtige Mann am richtigen Platz. Seinen Arbeitgeber kann man nur beglückwünschen. Unternehmerische Maßnahmen von Recruiting bis Staffing, die perfekt und wirkungsvoll zusammenspielen. Da fühlt sich einer im Job wohl, redet darüber und gewinnt womöglich ganz nebenbei einen neuen Kollegen. Aus ihm spricht Unternehmens­kultur, ein gelebtes Wirgefühl, das überzeugt und vor lauter Begeisterung nach draußen getragen wird – mit leuchtenden Augen und einfach ansteckend.

Recruiting wie zufällig

Gleichzeitig beschleicht mich das Gefühl, dass Freund A seinem Chef gegenüber den Job wohl nie so beschreiben würde. Armer Chef! Er hat keine Ahnung, wie bombig er als Arbeitgeber ist! Folglich schreibt er wahrscheinlich Stellenanzeigen voller Plattitüden wie „Wie sind Marktführer“, „unser tolles Team“, „wir bieten spannende Herausforderungen“. Die wirken auch, allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Statt positiver Emotionen spricht dann das ewiggleiche undifferenzierte Jobangebot aus ihnen, das stark an militärisches Recruiting erinnert. Allein bei dem Gedanken muss ich gähnen.

Auch wenn Mitarbeiterwerbeprogramme eine gute Idee sind, solche Botschaften wie Freund A sie hier benutzt, bleiben deren Arbeitgebern verborgen. Da stehen sich sogar die besten Arbeitgeber selbst im Licht. Aber ihm könnte geholfen werden, denke ich still bei mir und muss lächeln.

Wieso diese Wirkung?

Das hier war Employer Branding reinsten Wassers. Eine Arbeitgebermarke muss nicht in große Worte gegossen, in bunten oder sogar bewegten Bildern dargestellt werden. Employer Branding kann ganze Abteilungen beschäftigen, fünf- oder gar sechsstellige Budgets bewegen oder wie hier im ganz Kleinen wirken. Im wirklich ganz Winzigkleinen, denn eine Arbeitgebermarke bildet sich auch dann aus, wenn sich das Unternehmen gar keine Gedanken daran verschwendet, wie es auf Umwelt und Mitarbeiter wirkt.

Mitarbeiter gewinnen statt Recruiting

Employer Branding ist einfach immer. Wer sich dessen nicht bewusst ist, verpasst viele Möglichkeiten. Ich meine nicht jedes teure, unter werblichen Bedingungen stetig eskalierende Arbeitgeber-Marketing, sondern die Möglichkeiten im Kleinen. Statt es als breitwürfige Markting-Maßnahme anzulegen, lässt es sich sehr präzise auf eine Zielgruppe ausrichten. Mitarbeiter-Werbeprogramme sind dazu eine Möglichkeit, aber bei Weitem nicht die einzige. Wenn es um Innovationspotenzial, um den entscheidenden Kick an Heterogenität geht, dann sind sie der falsche Weg.

Imagedarstellungen gibt es wie Sand am Meer – auf Webseiten, in Investorenvideos und Infobroschüren. Manchmal spiegeln diese tatsächlich die Arbeitswelt wider. Das ist aber leider eher die Ausnahme als die Regel. Fakten sind prima, aber das Überzeugen ist Sache von Emotionen. Eine überzeugende Arbeitgebermarke wirkt auf der emotionalen Ebene, hat leuchtende Augen. Sie lebt von alltäglichen Details, verspricht sich auch mal und braucht Hände und Füße – ist ungekünstelt, echt und gerade deswegen überzeugend.  Allerdings ist eine Arbeitgebermarke weder ein Schokoriegel und noch ein Mittelklassewagen. Das, was auf der emotionalen Ebene rüberkommt, muss mit Sachbotschaften unterfüttert sein. Wer meint, sein Unternehmen mit Verzicht auf diese Emotionen glaubhaft und wirkungsvoll darstellen zu können, wird wohl weiterhin mit langweiligen Stellenanzeigen weiterkommen müssen. Mitarbeiter gewinnen dann andere.

 

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