Der unheimliche Notendurchschnitt: das Gespenst in den Köpfen von Absolventen

Viele Absolventen treibt ein Gespenst um: Der Notendurchschnitt. Ist die Note zu schlecht, was wird dann aus der Karriere?

Für Studierende sind Noten das Maß für Qualität. Ganz klar, denn in Schule und Hochschule sind sie und nichts anderes der Bewertungsmaßstab. Bis zum Ende des Studiums, so rund bis Anfang/Mitte Zwanzig, kennt man es nicht anders.

Nach dem Studium wird vieles anders. Die gewohnte direkte Rückmeldung über Noten fällt weg, Leistung wird nach komplexen Maßstäben gemessen.

Plötzlich zählen ganz andere Faktoren: Einsatzbereitschaft, Kommunikationskompetenz, Fairness, Weitblick, Teamfähigkeit, Effizienz, Eloquenz, soziales Denken und Handeln spielen eine große Rolle. Es geht nicht mehr um einzelne, isoliert abzuliefernde Proben, wie sie Klausuren und Hausarbeiten darstellen. Der ganze Alltag, jede einzelne Minute prägt die Bewertung. Der Wille zur Leistung wird viel offensichtlicher, aber auch Taktieren zur Ergebnisoptimierung. Und trotzdem…

 

Unwichtig ist der Notendurchschnitt nicht

Viele, gerade große Unternehmen setzen Software im Recruiting ein, die eingehende Bewerbungen scannt und auswertet. Der Notendurchschnitt ist da ein beliebtes Kriterium zur Vorauswahl. Schließlich wirkt er wie ein absolutes und ziemlich unangreifbares Datum. Nicht auszudenken, wenn ein HR-Mitarbeiter einen „Exoten“ mit Dreikommaeinbisschen in der Masterarbeit einstellt und sich das als Fehlgriff herausstellt! Das geht gar nicht. Schließlich ist ein so offensichtlicher Fehler ein Risiko für die eigenen HR-Karriere! Dann doch lieber der HR-Software vertrauen.

Weltkonzerne mit hoher Arbeitgeberattraktivität mögen so vorgehen, um eine hohe Zahl an eingehenden Bewerbungen auszusortieren. Es ist legitim, nur Notenbeste zuzulassen, gerade wenn Entwicklungsgänge in Unternehmen auf solche Absolventen zugeschnitten sind. Die Arbeitswelt wird glücklicherweise auch von einer ganzen Reihe anderer Unternehmen bevölkert.

 

Der Notendurchschnitt ist nicht alles

Müssen es eigentlich immer die Top-Konzerne sein? Hinter großen Markennamen stecken nicht immer und automatisch Top-Arbeitgeber. Aufgabengebiete sind wegen der hohen Spezialisierung in Großunternehmen eher schmal gerastert. Berufseinsteiger finden bei Mittelständlern meistens gute Einstiegsbedingungen vor. In der Regel ist dort die Sichtbarkeit der eigenen Leistung höher, was sich in einer individuellen Förderung ausdrückt. Das Aufgabengebiet ist breiter – das hilft, die eigene Spezialisierung auf gesunde Füße zu stellen und sich in verschiedenen Rollen auszuprobieren. Gerade Mittelständler abseits der Metropolen haben es nicht leicht, gute Mitarbeiter zu finden, bieten aber beste Einstiegsbedingungen an. Und wenn es denn sein muss: mit einem soliden Einstieg in die berufliche Laufbahn ist nach ein paar Jahren der Umstieg in die erträumte Karriere im Weltkonzern immer noch drin.

 

Projizieren hilft wenig 

Dass Absolventen dem Notenschnitt so viel Gewicht beimessen, liegt am Erfahrungshorizont aus Schule und Studium. Für Einstellungsverantwortliche sind Noten ein Parameter unter vielen. Praktikumszeugnisse können ein völlig anderes Bild liefern. Gerade die im Anschreiben ausgedrückte Motivation kann sich als entscheidend für eine Einladung zum Vorstellungsgespräch entpuppen.

Wenn aus dem Anschreiben hervorgeht, dass der Bewerber verstanden hat, was das Unternehmen sucht und seine Leidenschaft für die angebotene Arbeit deutlich wird, rückt die Bedeutung der Abschlussnote in den Hintergrund.

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