Die perfekte Stellenanzeige

Die Stellenanzeige soll Bewerber ansprechen, anziehen und den Richtigen zum Bewerben motivieren. Gute Stellenanzeigen tun genau das – egal, ob sie in Print oder online geschaltet werden. Das macht letztlich kaum einen Unterschied. Es sei denn, die Zielgruppe kauft keine Druckerzeugnisse oder ist alles andere als Web-affin. Das soll es ja geben. Dann ist das Problem aber nicht die Stellenazeige selbst, sondern die Kanalauswahl. Das aber ist ein anderes Thema und schon mal gar keines für heute.

Gerade erst hat ein großer Recruitment-Dienstleister in seinem Blog postuliert, dass eine gute Stellenanzeige einen klaren, einfachen Jobtitel braucht, aktiv formuliert sein, direkt ansprechen und bei Angebot und Nachfrage klare Aussagen treffen muss. Dann würde sie ihre Zielgruppe, vorab in der Jobbeschreibung definiert und mit Wünschen und Sichtweisen von Team und Vorgesetzten versehen, schon erreichen.

 

Stellenanzeigen müssen wirken

Für das Ansehen, das ein Unternehmen als Arbeitgeber genießt, ist der Umgang mit Bewerbern wichtig – ein Blick in die üblichen Bewertungsportale lässt daran keine Zweifel zu. Perfekt sein muss die Anzeige zwar nicht, aber wirksam. Die Wirksamkeit bemisst sich nicht nur in der Anzahl von Bewerbungseingängen, sondern vor allem in deren Verwertbarkeit. Qualität und Quantität sind nun mal zwei verschiedene Dinge. Was hat das Unternehmen von reichlich Bewerbungseingängen, wenn kaum eine für die Einladung zum Vorstellungsgespräch ausreicht? Nur Arbeit, die zu nichts führt. Sichten von zu vielen zu wenig passenden Bewerbungen ist ebenso vertane Zeit wie freundliche, aber bestimmte Absagen zu verfassen. Es lohnt sich, die Zeit früher im Prozess zu investieren, nämlich genau beim Verfassen der Anzeige.

Und genau deswegen will ich  etwas ergänzen, etwas, das in Stellenanzeigen, Print wie online, immer wieder vergessen wird. Bevor ich dazu komme, was das denn ist, will ich aber noch ein bisschen polarisieren.

Bewerbern wird immer wieder nahe gelegt, sich doch in das Unternehmen hinein zu versetzen und die Stellenanzeige aus dessen Perspektive zu lesen. Aus dieser anderen Perspektive zu denken, würde jede Menge Aha-Effekte generieren, die zur Bewertung der eigenen Passgenauigkeit beitragen, heißt es. Auch das ist richtig – und füttert meine These von oben. Wäre doch schön, wenn sich diese Zu-vielen-zu-unpassenden Bewerbungen eliminieren ließen, vielleicht auch nur auf ein erträgliches Maß reduzieren.

Das funktioniert, sogar ziemlich einfach. Wie fast immer ist der wirksame Trick ein nahe liegender. Allerdings liegt die Wunderwaffe nicht in der Hand der Bewerber.

 

Umgekehrt denken

Genau genommen ist der Trick gerade mal so weit weg wie die eigene Nase. Fasst man sich an eben diese, ist man… Nein, ich wollte polarisieren, nicht gleich polemisieren. Also zurück. Und das bewerberseitig eingeforderte Prinzip einfach umgekehrt:

Was für Bewerber gilt, gilt zuerst einmal genauso für die einstellende Seite. Liebe Fachvorgesetzte, liebe HR-ler, versetzt euch doch mal in den Bewerber. Nicht gleich in die ganze Zielgruppe, sondern in einen einzelnen. Und denkt die Position noch einmal durch – nicht nur die Anforderungen, sondern vor allem das Umfeld, in dem sie wirken soll.

Im Innenverhältnis, unter den aktuellen Mitarbeitern, entwickelt sich, was die Einbettung ins Umfeld betrifft, leicht und fast zwangsläufig eine ausgeprägte Betriebsblindheit, weil die Dinge nun einmal so sind wie sie sind und jeder sich im Alltag daran angepasst hat. Im Innenverhältnis sind sie nicht nur klar und offensichtlich, sie sind transparent – wie eine Glastür, von deren Existenz jeder weiß und deswegen vor dem Dagegenrennen verschont bleibt. Außenstehenden dagegen tun Hinweise gut und bewahren sie vor zwangsläufigen Unfällen. Der Bewerber ist aber nun mal Außensteher und braucht  als solcher Hinweise. Für ihn wirken die für Mitarbeiter transparenten Gegebenheiten zwangsläufig wie blinde Flecken. Da hilft auch kein noch so konzentrierter und ernsthafter Appell an den Bewerber, sich mit dem Perspektivwechsel zu helfen. Wie auch – wesentliche Informationen fehlen ihm dazu einfach.

Damit meine ich Details in regelmäßig unterschätzter Zahl und Qualität. Details, die entscheidend sind, damit aus einem Bewerber ein ernsthafter Kandidat für die Besetzung wird. Die ansonsten perfekte Stellenanzeige wird mit der Mitarbeiterbrille auf der Nase erdacht. Diese Brille können sich Bewerber einfach nicht aufsetzen, das liegt in der Natur der Sache. Es ist Aufgabe des Unternehmens, die für die Stellen relevanten, im Inneren transparenten Details zu sammeln und in die Stellenbeschreibung einzubauen. Damit sie „von außen“ die Aha-Effekte erzeugen kann, die Bewerbern die Bewertung der eigenen Passgenauigkeit ermöglichen, ist es nötig, dass die Konstrukteure der „perfekten“ Stellenanzeige erfolgreich den Wechsel zur Bewerberperspektive hinbekommen. Das genau ist der Trick.

 

So wird die Stellenanzeige wirksam

Welche Details die Stellenanzeige für Bewerber ausreichend transparent machen, ist von Fall zu Fall verschieden und erfordert eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten. In Diskussionen mit unseren Kunden leisten die folgenden Fragen als Erste Hilfe jedenfalls wirksame Dienste:

  • Wie ist die Position in die Organisationsstruktur eingebettet?
    Erstaunlicherweise schweigen Stellenanzeigen gern dazu, ob die angebotene Position eine Aufgabe in Alleinverantwortung oder als Teil eines Teams umsetzt. Dabei lässt sich dieses Detail schon mit ganz wenig Text einbauen. Die Forderung einer bestimmten Anzahl an Berufsjahren ist damit längst nicht gleichbedeutend, in Kombination aber ein wichtiges Indiz für den Bewerber. Auch die Berichtslinie gibt Aufschluss, was auf den Positionsinhaber zukommt, wird aber selten genannt. Handelt es sich um eine Matrix- oder Linienorganisation? Wer dem Organisationstyp aus seinem bisherigen Wirkungskreis schon kennt, dem wird die Einarbeitung leichter fallen, was leicht zu kalkulieren ist für Bewerber.
  • Welchen Umfang hat die in dieser Rolle zu übernehmende Verantwortung?
    In der Organisationsstruktur steckt schon einiges, was auch auf den Grad der Verantwortung wirkt. Andere Details ergeben sich aus dem Reifegrad des Themas im Unternehmen: Handelt es sich um eine Aufbausituation oder ist das Thema bereits etabliert? Oft sind die Jobtitel selbst wenig aussagekräftig und müssen ergänzt werden. Wie zum Beispiel bei der Projektleitung: Sie muss in Analyse- oder Rollout-Projekten ganz anders umgesetzt werden als zum Beispiel in Change-Projekten und erfordert deswegen andere persönliche Eigenschaften.
  • Wie sind klassische Bewerbungs-Buzzwords besetzt?
    Nehmen wir das Beispiel: „Freiraum“. So schön und idealtypisch er klingt: mit der Verwendung dieses Begriffs kauft sich die Stellenanzeige durch dessen Unschärfe Sprengstoff ein. Denn Freiraum kann bedeuten, Innovationen ausprobieren, das innewohnende Risiko einkalkulierend – wenn das Potenzial der Innovation es rechtfertigt. Aber leider meint Freiraum oft nichts anderes als einen für den verwendeten Jobtitel überdurchschnittlich hohen Verantwortungsgrad. Im ersten Fall ist die Steuerungsfähigkeit der Führungskraft möglicherweise bis zum Anschlag gefordert, im zweiten liegt die Steuerungsaufgabe beim neuen Mitarbeiter selbst. Die passenden Kandidaten sind in ihrer Persönlichkeit jedenfalls grundverschieden.
  • Grundlegende Züge des Unternehmens („Arbeitgeber-USP“)
    Damit meine ich nicht globalgalaktische Aspekte wie Vision oder Unternehmensziel, sondern die schlichten Basics des Arbeitsalltags: Ist das Unternehmen schon in der Cloud angekommen? Wie hoch ist der Grad an internationale Verflechtungen, sind virtuelle Teamstrukturen die Regel? Ist regelmäßig körperliche Präsenz bei Kunden oder in Niederlassungen die Regel oder wird ein intensiver Einsatz von Collaboration Tools praktiziert? Gibt es Großraumbüros, Team- oder Einzelbüros, aus denen sich charakteristische Merkmale für Kommunikation und Zusammenarbeit ableiten lassen? Wird eine New Work-Philosophie gelebt oder träumt man in der Kaffeeküche beim Schwatz intensiv davon?

Ich glaube weder, dass es eine perfekte Stellenanzeige geben kann oder dass Perfektion hier erstrebenswert ist. Wirksamkeit dagegen erleichtert allen Beteiligten des Bewerbungsprozess, spart Zeit und sorgt ganz nebenbei auch noch für eine deutlich bessere Candidate Experience.

 

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